Stammtisch in der Ratsschulbibliothek
Letztmalig in den unrenovierten Räumen
Für die nächsten Jahre wird sich die Ratsschulbibliothek im Verwaltungszentrum der Stadt Zwickau befinden. Das Thema unseres Stammtischs war „Jüdisches Leben in Zwickau“. Herr Dr. Mahnke wusste wieder viel Spannendes zu berichten über die recht wechselvolle Geschichte der Ansiedlung von Juden in Zwickau. So gab es bereits in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine Judengasse, und man geht von 8-10 jüdischen Familien aus. Es ist nachweisbar, dass 1504 das erste Pogrom stattfand und bis 1543 alle Juden aus Zwickau vertrieben wurden. Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in Zwickau wieder wohnhafte Juden mit 2 Betsälen, die 1938 in der Reichspogromnacht zerstört wurden. Die abgebrannten Gebäude mussten von den Jüdinnen und Juden selbst beräumt werden. Und da beginnt eine unglaubliche Geschichte: Kurz nach der Pogromnacht hat die Klasse eines Gymnasiums erst das Museum besucht. Dann kamen einige Knaben auf die Idee, auf den nahegelegenen Sportplatz zu gehen, auf den der Schutt aus den Synagogen gebracht worden war. Dabei fanden sie 3 Rollen: hebräische Buchstaben auf Pergament. Sie vermuteten, etwas Wertvolles gefunden zu haben und wollten es dem Museum für 5 RM verkaufen. Wir wissen inzwischen, dass es sich um eine große (17 m lange) und zwei kleine Thorarollen handelte. Das Museum zeigte sich nicht interessiert, oder es fehlte der Mut, und so wurden die Schüler zur NSDAP-Kreisleitung geschickt. Auch dort wurden sie die Rollen nicht los. Schließlich wurden sie ihnen doch im Museum abgenommen und in der Handschriftensammlung bis 2002 gut verwahrt. Herr Dr. Mahnke konnte zu dieser Zeit Kontakt zu den noch lebenden ehemaligen Gymnasiasten aufnehmen und erfuhr so die ganze Geschichte. Heute befindet sich die große Rolle bei der Jüdischen Gemeinde Chemnitz – auch da gibt es in der Bibliothek noch Dokumente über den Festakt im Jahr 2003 zur Übergabe. Der Höhepunkt unseres Abends in der Bibliothek war die Vorführung der leicht versengten, in Zwickauer Besitz befindlichen Thorarollen. Die jüdische Geschichte in Zwickau endete vorerst vor dem 2. Weltkrieg mit der Deportation der noch in der Stadt verbliebenen Jüdinnen und Juden in die Vernichtungslager. Trotz des eigentlich traurigen Themas verstand es der Direktor der Ratsschulbibliothek uns auf unterhaltsame Weise und anhand von verschiedenen Büchern wieder ein Stück Zwickauer Geschichte näherzubringen.